das Mittel: das zwischen zwei Dingen Befindliche, dann mit Bezug auf das, was zwischen dem Handelnden und dem Zweck steht, zur Erreichung des Zweckes dient; mittelhochdeutsch mittel = (in der) Mitte (befindlicher Teil)
— Duden
Jeden Tag aufs Neue, sobald ich Zeitungen oder Social Medias ansurfe, frage ich mich allen ernstes immer lauter und deutlicher – was ist eigentlich mit dem „Mittel-“ passiert? Ein einfaches Mittelmaß? Unsere gesellschaftliche Mittelschicht?
Ich weiß nicht ob es der phlegmatische Wiener in mir ist … Hauptsache er hat am Sonntag sein Bier und sein Schnitzel Erdäpfelgulasch – Moment, ich bin Vegetarier, dann was anderes. Natürlich der Österreicher, obwohl der Wiener die Messlatte dessen tatsächlich sehr hoch legt, ist ein gewisses träges Tier und es braucht bis man es wirklich aus seinem Bau heraus locken kann, damit sich etwas bewegt. Zumindest war es früher so. Heute scheint sich ein völlig neuer Trend breit zu machen und tatsächlich egal ob Wiener oder nicht – die machen mit. So richtig.. also lautstark und mit Hingabe. Mhm… da stimmt doch irgendetwas nicht?!
Aus Wirtschaftsblättern erfahren wir, dass die alt bekannte und stärkste Wirtschaftsschicht, die Mittelschicht, immer mehr verschwindet und die Kluft zwischen „ich habe es geschafft und kann mir einen höheren Standard leisten“ und „Verdammt, die nächsten zwei Wochen wieder nur von Dosen Ravioli leben“ immer größer wird. Die soziale Gesellschaft lehrt uns immer höher, weiter, besser, zu werden. Es gibt nur noch Schmarotzer, die ihren Allerwertesten nicht bewegen oder jene, die sich von einem Burn-out in den Nächsten schuften und tagtäglich förmlich überschlagen. Arbeit, Familie, Studium, Sport, Hobbies, Freunde, Urlaub und zwar in genau der Reihenfolge. Keine Frage dessen, was man davon wahr nimmt, nein, man „muss“ alles machen, ansonsten ist man kein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft. Nur, wer einen voll gestopften Kalender hat, sich keine ruhige Minute mehr gönnt, DER hat es geschafft.
Wunderbar… und was geschafft? Den geistigen und körperlichen Ruin? Ist es das, wonach wir streben?
Neben dem wirtschaftlichen Faktor zeigt sich noch ein ganz anderes Bild. Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, nicht wirklich politische Stellungnahmen zu machen, auch wenn ich über vieles den Kopf schütteln muss. Ich halte es bereits seit Jahren so, sei es nun in Blogs, in Social Medias oder sonst wo im großen www. Wer meine persönlichen politischen Meinungen wissen will, soll sich mit mir an einen Tisch setzen, mit einem Bier und mir ins Gesicht sagen, dass er dieser oder jener Meinung ist. Das hat einen ganz einfachen Grund. Geschrieben ist bald mal etwas… aber gesagt… das dauert ein wenig. Und erst recht, wenn das Gegenüber auch noch eine etwas extremere Meinung hat. Gänzlich egal ob nun links oder rechts. Aktuell lässt das Asyl-Thema sehr viele Gemüter erhitzen. Davor war es die Griechenlandkrise, davor die Exekutive im Allgemeinen und davor die Banken und wieder davor… was weiß ich … Aber ich denke ihr wisst was ich meine, es braucht immer etwas worüber sich aufgeregt werden kann, ansonsten wäre es doch langweilig und spannenderweise – nein, nicht nur im Sommerloch.
Und genau hier stellt sich mir die eingangs beschriebene Frage: „Wo ist unser Mittelmaß hin verschwunden?“ Gibt es in der heutigen Gesellschaft nur noch schwarz, weiß? Asylanten ja, nein? Homophobie ja, nein? Genforschung ja, nein? Veganismus ja, nein? Umweltschutz ja, nein? Karriere ja, nein? Familie ja, nein?
In einer Zeit in der tagtäglich „gepredigt“ wird, dass wir alle liberal, farbenfroh (im Sinne des Regenbogensymbols), tolerant und weltoffen sein sollen? In einer Zeit in der es einfach aus der gesellschaftlichen Entwicklung noch wesentlich mehr Graustufen gibt, als noch vor fünfzig Jahren?
Warum also dann in solch einer Zeit erst recht von einem extrem ins andere driften? Wo ist sie hier, die angebliche phlegmatische und neutrale Art des Österreichers?
Und ja verdammt nochmal… ich ERWARTE mir von einigen Menschen heutzutage einen Blick über den Tellerrand und ein Einschalten des ballonartigen Gliedmaßes zwischen den Schultern – auch Kopf genannt. Das schmerzt auch nur ganz kurz, ehrlich, ich versprechs…
(und ich weiß… es ist idealistisch und naiv … Hoffnung stirbt allerdings bekanntlich zuletzt … )
(He/His) End 30’s Consulter, Project Manager, Husband, Writer, Pseudo-Journalist, Gamer, Biker, Cat Lover, Constructional engineer, Apple Fanboy, Viennese